Körper versus Erkältung: Alle Energiereserven werden benötigt


Sind wir erkältet, wird unser Immunsystem aktiv. Sobald Erkältungsviren in die Schleimhäute eindringen, reagiert es mit einer unspezifischen Abwehr an den betroffenen Stellen. Durch Fresszellen und natürliche Killerzellen werden die Eindringlinge eliminiert, was sich an leichten Entzündungen (beispielsweise Halsschmerzen) zeigen kann.

Reicht das zur Bekämpfung der Viren nicht aus, folgen darauf spezifische Abwehrreaktionen. Der Körper produziert eine größere Anzahl an Abwehrstoffen, sogenannte Antikörper. Diese sind perfekt an die Oberflächenstrukturen der Erkältungserreger angepasst und können sie komplett zerstören. Darüber hinaus werden auch Gedächtniszellen gebildet. Wenn derselbe Erreger erneut in den Körper eindringen will, erinnert sich das Immunsystem daran und kann rasch eine hohe Anzahl an Antikörpern bilden, was zu einer schnellen Bekämpfung der Viren führt.

Für diese Abwehr benötigt das Immunsystem alle Energiereserven, um die Viren vollständig zu bekämpfen. Wenn wir also Sport trotz Schnupfen oder einer Erkältung treiben, reichen diese Reserven nicht mehr aus, um die Krankheit zu bekämpfen.

Auswirkungen von Sport auf das Immunsystem


Wird das Abwehrsystem durch Sport bei Erkältung ohne Fieber zusätzlich belastet, hat Ihr Körper nicht mehr ausreichend Energie, die er im Kampf gegen die Erkältung so dringend benötigt. Auf den Körper wirken durch die sportliche Aktivität und die Bekämpfung der Viren zwei Stressfaktoren gleichzeitig ein. Bei intensiver Belastung durch Sport wird das Immunsystem ohnehin schon genug geschwächt. Entstehen beim Training beispielsweise kleine Risse im Muskelgewebe, so kümmert sich unser Abwehrsystem darum, dass die verschlissenen Gewebepartikel abtransportiert werden. Ihr Immunsystem ist überfordert und kann beide Aufgaben (Regeneration und Virenabwehr) nicht hundertprozentig erfüllen. Verzichten Sie deswegen auf Sport bei einer Erkältung.

Der Open-Window-Effekt
Der Körper ist nach dem Sport erst einmal damit beschäftigt, sich um Verletzungen wie beispielsweise kleine Risse im Muskelgewebe zu kümmern. Weil der Körper also nach der Belastung die Abwehrzellen zur Regeneration benötigt, funktioniert die Immunabwehr nach sportlicher Belastung nicht mehr hundertprozentig. Bis sich die Konzentration der Abwehrzellen im Blut wieder normalisiert, sind Sie besonders anfällig für Krankheiten. Diese kurzzeitige Schwächung wird auch als Open-Window-Phänomen bezeichnet.

Kann der Virus zunächst nicht bekämpft werden, wird der Körper beispielsweise versuchen, die Erreger mit einer Erhöhung der Temperatur abzutöten. Der Körper setzt dazu Botenstoffe frei, die über die Blutbahnen ins Gehirn gelangen und dort dem Wärmeregulationszentrum (Hypothalamus) den Auftrag geben, die Temperatur entsprechend zu erhöhen. Wir bekommen also Fieber, was das Immunsystem zusätzlich fordert und auch unseren Herzschlag erhöht. Schonen wir unseren Körper nicht ausreichend und treiben Sport trotz Erkältung, verschlimmern sich die Symptome und die Erkältung dauert länger.

Sport bei Schnupfen


Sie haben einen kleinen Schnupfen und möchten deswegen nicht auf Sport verzichten? Müssen Sie auch nicht unbedingt. Durch leichten Sport bei einer Erkältung ohne Fieber wird die Durchblutung der Nasenschleimhäute angeregt, was bei Schnupfen positiv sein kann. Allerdings gibt es einige wichtige Faktoren, die Sie beachten sollten, damit Sie Ihrem Körper mit Sport bei Schnupfen nicht schaden:

  • kürzere Dauer der Trainingseinheiten
  • geringere Belastungsintensität
  • ausreichende Flüssigkeitszufuhr

Generell sollten Sie bei einem Schnupfen ausschließlich lockeres Joggen, Walking, Yoga oder Pilates betreiben. Diese „leichten“ Sportarten fordern den Organismus nicht zu stark. Bei höherer Belastung verliert Ihr Körper zu viel Energie, die er zur Genesung dringend braucht.

Die Folge kann eine Verschlechterung des Krankheitsbildes sein. Der Körper reagiert in diesem Fall mit Fieber, Schüttelfrost und geschwollenen Lymphknoten und zwingt so den Sportler zu einer unfreiwilligen „Auszeit“.1

Absolut tabu: Bei fiebriger Erkältung Sport treiben


Bei Fieber (ab 38,5 Grad Celsius)2 oder erhöhter Temperatur ist jede sportliche Betätigung grundsätzlich verboten.

Versuchen Sie auf keinen Fall, Ihre Symptome mit Medikamenten zu unterdrücken, dass Sie bei einer Erkältung Sport treiben können. Gönnen Sie sich die Pause, die Ihr Körper braucht, um anschließend wieder richtig ins Trainingsprogramm einsteigen zu können. Übertriebener Ehrgeiz lässt Sie nicht schneller gesund werden und hat aus sportlicher Sicht generell eher einen Leistungsabfall zur Folge.

Da Ihr Immunsystem ohnehin schon geschwächt ist, besteht außerdem die Gefahr, dass Sie sich noch eine zusätzliche Infektion durch andere Viren oder Bakterien holen. Eine sogenannte Sekundärinfektion entsteht, weil Ihr Körper noch damit beschäftigt ist, die Erkältungsviren zu eliminieren und die neuen Erreger nicht ausreichend bekämpft werden können. Dann ist mitunter die Gabe eines Antibiotikums erforderlich.

Weitaus schlimmere Komplikationen durch Sport trotz Erkältung entstehen, wenn die Viren durch die Bewegung anfangen, im Körper zu wandern und andere Organe anzugreifen. Wird das Herz befallen, kann eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung (Myokarditis) entstehen. Aufgrund der vielfältigen und uneindeutigen Beschwerden (Müdigkeit, körperliche Schwäche, Atemnot) wird die Krankheit häufig nicht erkannt und als Folge daraus nicht behandelt. Deshalb macht sich die gefährliche Erkrankung oft erst durch Herzinsuffizienz (Funktionsschwäche des Herzens) oder Herzrhythmusstörungen3 bemerkbar.

Hohes Risiko bei Leistungssportlern

Es kam in der Vergangenheit auch schon vor, dass Leistungssportler an plötzlichem Herzversagen gestorben sind4. Schätzungen zufolge sind sogar 30 Prozent der Todesfälle bei jungen Sportlern auf die Folgen von Sport bei einer Erkältung zurückzuführen.

Deswegen empfiehlt es sich, bei Symptomen, die über einen leichten Schnupfen hinausgehen, besser auf Sport bei einer Erkältung ohne Fieber zu verzichten und erst wieder mit dem Training zu beginnen, wenn die Erkältung vollständig auskuriert ist.

Endlich vorbei: Wann darf ich nach einer Erkältung wieder Sport machen?


Auch bei Besserung der Symptome muss Vorsicht geboten sein. Sich gut zu fühlen, heißt noch nicht, dass die Viruserkrankung komplett ausgeheilt ist. Bevor Sie nach einer Erkältung ohne Fieber wieder Sport treiben, müssen Sie sich unbedingt voll und ganz erholt haben, um die Gefahr der Verschleppung der Erkältung zu vermeiden. Die Erkältung kann erneut ausbrechen, wenn die Viren nicht vollständig abgetötet wurden. Hatten Sie Husten oder Halsschmerzen, sollten Sie mindestens zwei Tage frei von Beschwerden sein, bevor Sie das Training wieder aufnehmen. Bei grippalen Infekten kann Husten manchmal etwas länger dauern. Schonen Sie sich und behandeln Sie den Husten mit Hausmitteln, bis er vollständig verschwunden ist.

Bei einer fiebrigen Viruserkrankung muss nach Abklingen der Symptome mindestens eine Woche6 pausiert werden, um sicherzustellen, dass die Infektion nicht verschleppt wird.

Gut Ding will Weile haben

Nach einer Pause sinkt Ihre Leistungsfähigkeit und Sie müssen sich langsam wieder an das vorherige Trainingsniveau anpassen. Schrauben Sie also zunächst Ihr Pensum herunter, um nicht zu riskieren, dass Sie sich überlasten und weitere Leistungseinbußen hinnehmen müssen. Steigern Sie sich stattdessen lieber langsam.

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Jan Henkel Jan Henkel wurde 1980 in Heidelberg geboren. Sein Studium schloss er als Diplom-Volkswirt und mit einem Magister erfolgreich ab. Heute ist er unter anderem als freiberuflicher Texter tätig und widmet sich vorrangig Themen aus dem Gesundheits- und Medizinbereich. Jan Henkel Autor kanyo® mehr erfahren
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