Ständig erkältet: Was hat es mit der erhöhten Infektanfälligkeit auf sich?


Zwischen 2 und 3 Erkältungen (grippaler Infekt) pro Jahr sind bei Erwachsenen durchaus normal, Kinder sind im Schnitt sogar öfter krank (circa 6- bis 10-mal).1 Sobald die durchschnittliche Krankheitshäufigkeit überschritten wird, sprechen Mediziner von einer erhöhten Infektanfälligkeit.2 In der Folge ist das körpereigene Abwehrsystem nicht mehr in der Lage, den Körper gegen eindringende Krankheitserreger zu verteidigen. Betroffene werden daher unter anderem immer wieder von typischen Symptomen einer Erkältung wie Schnupfen oder Husten geplagt.

Körperliche Faktoren: Was beeinflusst unser Immunsystem?


Hinter der körpereigenen Abwehr steckt ein ausgeklügeltes System: Hat das Immunsystem einmal einen “Feind” erkannt und zerstört, merkt es sich diesen und kann ihn beim nächsten Mal gezielter und effektiver abwehren.

Ist das Immunsystem jedoch geschwächt, können Krankheitserreger wie Erkältungsviren leichter eindringen und einen Infekt auslösen. Es gibt verschiedene Ursachen, die das Risiko hierfür erhöhen – allen voran die körperliche Verfassung.

Beispielsweise können folgende Faktoren die Abwehrkräfte beeinträchtigen:

  • übermäßiger Alkohol- und Nikotinkonsum (Alkohol hemmt unter anderem Abwehrkräfte; weniger Abwehrstoffe im Blut von Rauchern)
  • zu wenig Schlaf (geringere Antikörperreaktion)
  • Lichtmangel (Defizit an Vitamin D)
  • Nährstoffmangel, beispielsweise an Zink, Eisen oder Vitamin C
  • veränderte Darmflora (gesunde Darmflora stärkt die Abwehrkräfte)
  • hohes Lebensalter (Immunsystem altert ebenfalls)
  • Stress (dauerhafte körperliche oder seelische Überlastung)
  • versteckte chronische Entzündungen, beispielsweise der Nasenebenhöhlen oder des Zahnapparats
  • unerkannte chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale oder COPD3,4,5,6

Aha!

Manche Menschen sind bei ihrer Arbeit (zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen, Kinderbetreuungen) vermehrt Krankheitserregern ausgesetzt. In diesen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass eine Ansteckung erfolgt. So ist es auch bei Kindern, die einen Kindergarten oder die Schule besuchen und dort viel Kontakt zu anderen haben.

Sind Betroffene ständig müde und fühlen sich schlapp, kann in einigen Fällen auch eine Immunschwäche in Betracht kommen. Eine solche kann das Immunsystem in seiner Funktion beeinträchtigen, wodurch der Organismus nicht mehr ausreichend im Stande ist, sich unter anderem vor fremden Erregern (etwa Viren, Bakterien, Pilzen) zu schützen. Als Folge daraus kann es zum Beispiel vermehrt zu Infektionen der oberen Atemwege kommen.7

Was deutet auf eine Immunschwäche hin?


Folgende Hinweise sprechen für eine Immunschwäche:

  • vermehrte (häufiger als 4-mal jährlich) oder langanhaltende Infektionen der Luftwege
  • häufige oder andauernde Durchfälle (andere Ursachen ausgeschlossen)
  • wiederkehrende Herpes-Infektionen
  • schwere Infekte (zum Beispiel Gehirnentzündung, wiederholte Lungenentzündung)
  • fortdauernde Pilzinfektionen der Haut oder Schleimhaut
  • chronische Müdigkeit und grippeähnliche Symptome (Gliederschmerzen, starkes Krankheitsgefühl)
  • häufig oder lang anhaltend erhöhte Körpertemperatur (zwischen 37,5 und 38 Grad Celsius)8,9

Zudem können eine verlangsamte Wundheilung und generelle Leistungsschwäche auftreten.

Immunschwäche: Seltene Ursache für Infektanfälligkeit


Bei einer Immunschwäche (Abwehrschwäche) kann sowohl ein kompletter als auch teilweiser Ausfall des Immunsystems vorliegen. Dabei unterscheiden Experten zwischen

Primäre Abwehrschwäche

Unter dem Begriff der primären Immunschwäche fassen Experten mehr als 100 verschiedene (relativ seltene) Störungen zusammen, welche die Immunstärke negativ beeinflussen.7 Sie kommen entweder als einzelne Krankheit oder als Teil eines Syndroms vor. Je nachdem, bei welcher Komponente des Immunsystems ein Mangel besteht, werden die Immunschwächen weiter unterteilt, unter anderem in:

  • Humorale Immunschwächestörungen: Sie stellen die häufigste Art dar – mehr als 50 Prozent der primärenen Abwehrschwächen sind auf die Störung zurückzuführen. Diese haben einen Antikörpermangel zur Folge und machen Betroffene besonders anfällig für bakterielle Infektionen.7
  • Zelluläre Immunschwächestörungen: Bei dieser Form sind die T-Zellen (Untergruppe der weißen Blutkörperchen) betroffen, die dabei helfen, fremde und abnorme Zellen zu identifizieren und zu zerstören. Die Erkrankung geht mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen mit Viren oder Pilzen einher.7 Zurückzuführen sind die Krankheiten vermutlich auf eine erblich bedingte Genmutation, die bereits bei der Geburt vorliegt und sich zum Großteil das erste Mal im frühen Kindesalter zeigt.7

Sekundäre Immunschwäche

Sekundäre Immunschwächen sind nicht genetisch bedingt und treten erst im Laufe des Lebens auf. Sie entstehen durch:

  • Schwerwiegende oder chronische Erkrankungen: Bestimmte Krankheiten wie Diabetes, Leukämie (weißer Blutkrebs) oder AIDS (ausgelöst durch eine HIV-Infektion), können die Reaktionsfähigkeit des Immunsystems schwächen. Allerdings lässt die Beeinträchtigung des Immunsystems oft wieder nach, wenn die Krankheit abklingt beziehungsweise behandelt wird.
  • Medikamenteneinnahme: Sogenannte Immunsuppressiva haben den Zweck, die Immunreaktion kontrolliert zu reduzieren. Sie kommen zum Beispiel nach einer Organtransplantation zum Einsatz, um ein Abstoßen des fremden Körperteils zu verhindern. Zur Eindämmung von entzündlichen Krankheiten (wie Arthritis) können sie ebenfalls verordnet werden.
  • Mangelernährung: Vor allem eine zu geringe Aufnahme von Vitamin E, Kalzium und Zink kann ein geschwächtes Immunsystem begünstigen. Fällt das Körpergewicht durch Unterernährung generell auf unter 70 Prozent des empfohlenen Gewichts, sind starke Beeinträchtigungen in der Immunabwehr wahrscheinlich.
  • Krebstherapie: Zur Behandlung von Tumoren ist manchmal eine Strahlen- oder Chemotherapie vonnöten. Bei diesen werden allerdings nicht nur kranke Krebszellen, sondern zum Teil auch gesunde Immunzellen angegriffen. Daher kann es als Nebenwirkung dieser Therapien zeitweise zu einer geringeren Abwehrfunktion kommen.7

Immunschwäche bei älteren Menschen

Vor allem bei älteren Personen ist eine Immunschwäche ein häufiges Problem. Mit zunehmendem Alter nimmt die Immunabwehr natürlicherweise ab, da beispielsweise weniger T-Zellen (zuständig für die Erkennung und Bekämpfung von veränderten Zellen) produziert werden. Zudem leiden Senioren oft unter chronischen Krankheiten. Auch ernähren sich viele ältere Personen zu einseitig, zum Beispiel aufgrund von altersbedingten Einschränkungen (Probleme beim Kauen oder Schlucken). Deshalb wird die Leistung des Immunsystems bei ihnen nicht selten zusätzlich durch eine Mangelernährung negativ beeinflusst.5

Diagnose Immunschwäche: Das macht der Arzt


Beim Verdacht auf eine verringerte körperliche Abwehr sollte zunächst der Hausarzt aufgesucht werden. Im Patientengespräch (Anamnese) wird er unter anderem nach Folgendem fragen:

  • wiederkehrende Krankheiten
  • schwere Infektionen
  • familiäre Häufung von Infektionskrankheiten
  • Medikamenteneinnahme
  • chronische Erkrankungen (wie Diabetes, AIDS)

Verhärtet sich der Verdacht auf ein Immundefizit, stehen dem Hausarzt verschiedene diagnostische Maßnahmen zur Verfügung, um eine Immunschwäche und deren Art zu ermitteln. Hierzu zählen:

  • Körperliche Untersuchungen: Der Arzt überprüft unter anderem verschiedene Lymphknoten (beispielsweise am Hals und hinter den Ohren) und die Gaumenmandeln im Rachen auf Veränderungen. Letztere können bei manchen Immunschwächen geschwollen und übermäßig empfindlich sein.
  • Bluttests: Bei der Auswertung eines großen Blutbildes zeigen sich beispielsweise Veränderungen an Blutzellen, welche auf bestimmte Immunstörungen hindeuten. Auch die Menge ausgewählter Antikörper im Blut spielt eine Rolle.
  • Biopsie: Eine Gewebeprobe aus Lymphknoten oder dem Knochenmark wird auf spezielle Immunzellen untersucht, welche Aufschluss über eine Abwehrschwäche geben können.
  • Genetische Untersuchungen: Verschiedene Genmutationen werden ermittelt, welche womöglich für ein primäres Immundefizit verantwortlich sind.

Mögliche Komplikationen bei Erkältung und Immunschwäche


Wird eine Erkältung nicht ausreichend auskuriert, können sich besonders leicht verschiedene Komplikationen entwickeln, wie zum Beispiel:

Patienten mit Immunschwäche leiden dagegen gehäuft unter besonders schweren oder langanhaltenden Infektionskrankheiten. Meist entwickelt sich zunächst eine leichtere Atemwegserkrankung, wie eine Erkältung, die hartnäckig bestehen bleibt oder immer wiederkehrt (chronischer Verlauf). Aus dieser kann jedoch auch eine schwerwiegende Lungenentzündung entstehen. Eine Erkältung sollte von Betroffenen mit Immunschwäche daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Zudem besteht bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem ein erhöhtes Risiko, sich zusätzlich mit Bakterien zu infizieren. Kommt es zu einer solchen Sekundär- beziehungsweise Superinfektion, ist dies oftmals mit schwerwiegenderen Symptomen wie einer Nasennebenhöhlenentzündung verbunden und dauert meist länger als ein grippaler Infekt.

Patienten mit Immunschwäche bekommen daher in der Regel bei den ersten Anzeichen eines Infekts (Halsschmerzen, Husten, laufende Nase) umgehend Antibiotika (antibakterielle Arzneimittel) oder Virostatika (antivirale Mittel) verabreicht, um die Ausbreitung von Bakterien und Viren zu verhindern. Das gilt auch vorbeugend vor operativen oder zahnärztlichen Eingriffen, bei welchen Krankheitserreger leichter in den Körper gelangen könnten.

Wird die Lebenserwartung durch eine Immunschwäche beeinflusst?

Grundsätzlich kann eine Immunschwächekrankheit für eine verkürzte Lebensdauer verantwortlich sein, da Betroffene durch sie anfälliger für zum Teil schwere Infektionen wie eine Lungenentzündung sind. Glücklicherweise lassen sich aber einige Formen der Immunschwächestörungen (vor allem der sekundären Form) behandeln, sodass Beeinträchtigungen und Risiken der körperlichen Abwehr nicht ein Leben lang bestehen müssen.

Behandlung: Was kann bei einer Immunschwäche helfen?


Manche sekundären Immundefizite lassen sich relativ gut behandeln, zum Beispiel durch eine ausgewogene Ernährung oder die Therapie der ursprünglichen Krankheit (wie Diabetes). Bei Immunstörungen aufgrund von Krebstherapien oder Medikamenteneinnahmen ist das schwieriger, da auf diese Behandlungen meist nicht verzichtet werden kann. Ähnlich schwierig ist es bei angeborenen Immunschwächen. Doch auch hier gibt es Möglichkeiten:

Ersatz von Antikörpern: Immunglobulin-Therapie

Bei bestimmten Formen der Immunschwäche kommt eine sogenannte Immunglobulin-Therapie zum Einsatz. Hierbei werden Antikörper (Immunglobuline) von gesunden Menschen, die zuvor gespendet wurden, einem an Immunschwäche erkrankten Menschen (der zu wenige Antikörper besitzt) verabreicht. Durch den Ersatz der zugeführten Antikörper ist das Immunsystem besser gegen Infektionen gewappnet.

Die Immunglobulin-Injektion muss allerdings sehr regelmäßig durchgeführt werden, entweder einmal im Monat direkt in eine Vene oder einmal in der Woche unter die Haut. Oft ist die Therapie ein Leben lang notwendig, da der Körper nach einiger Zeit die Antikörper immer wieder abbaut.7

Transplantation von Stammzellen

Bei besonders schweren Immunschwächen wird unter Umständen eine Stammzellentransplantation in Betracht gezogen. Dabei werden zunächst Stammzellen aus dem Blut (ambulante Entnahme) oder Knochenmark (während einer OP) eines gesunden Spenders gewonnen. Nach Aufbereitung der Stammzellen bekommt der immungeschwächte Patient die Blutzellen intravenös (in eine Vene) injiziert und erhält sozusagen das Immunsystem des Spenders transplantiert.
Stammzellen sind unter anderem an der Produktion von Immunzellen beteiligt. Eine solche Transplantation kann daher für eine Stärkung der körpereigenen Abwehr sorgen.

Aha!

Die Stammzellentransplantationen kommen nicht nur bei Immunschwäche, sondern beispielsweise auch bei Blutkrebs zum Einsatz und können Leben retten. Organisationen wie die DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) kümmern sich um die Vermittlung von Patienten und Spendern.

Nicht ohne Risiken: Gentherapie

In Kombination mit der Stammzellentransplantation wird bei manchen schweren angeborenen Immunschwächen eine Gentherapie eingesetzt. Es erfolgt eine Entnahme der defekten Immunzellen aus dem Knochenmark des Patienten. Diese werden dann in einem Labor verändert beziehungsweise korrigiert, vermehrt und anschließend wieder dem Betroffenen zugeführt.
Das Verfahren gilt unter Medizinern noch als relativ experimentell und ist nicht etabliert, da es bislang einige Risiken (wie Abstoßreaktionen des Körpers) birgt.10

Tipps, um Infektionen bei Immunschwäche zu verhindern


Die wichtigste Maßnahme für Patienten mit einer Abwehrschwäche ist der Schutz vor einer Ansteckung mit Erkältungsviren. Folgendes können Betroffene dafür tun:

  • Sorgfältige Hygiene: Dazu gehört unter anderem häufiges und gründliches Händewaschen mit Seife. Um eine Infektion zu vermeiden, sollten Betroffene aber auch auf eine umfassende Zahnpflege achten.
  • Abstand halten: Vor allem in der kalten Jahreszeit ist es wichtig, erkrankten Personen nicht zu nahe zu kommen. Durch Körperkontakt, aber auch körperliche Nähe (beim Niesen oder Sprechen) können Krankheitserreger übertragen werden.
  • Nicht ins Gesicht fassen: Neben der Übertragung durch Tröpfchen beim Sprechen oder Niesen können Viren und Co. auch über Gegenstände in den Organismus gelangen (Schmierinfektion). Daher sollten Betroffene es vermeiden, sich mit den ungewaschenen Händen am Gesicht, Auge oder Mund zu berühren.
  • Immunsystem stärken: Eine ausgewogene, gesunde Ernährung, viel Bewegung (bevorzugt an der frischen Luft) sowie ausreichend Schlaf sind hierfür essenzielle Bausteine. Darüber hinaus ist es möglich, durch regelmäßiges Saunieren oder Wechselduschen die Körperabwehr zu trainieren.

Bei manchen Immundefiziten sind zudem Impfungen gegen Infektionskrankheiten, wie beispielsweise die Grippe, möglich. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, die Impfungen unbedingt durchführen zu lassen, da sie das Risiko einer Erkrankung deutlich verringern. Auch Menschen im näheren Umfeld des Patienten sollten sich gegen gängige Infektionskrankheiten impfen lassen, um eine Übertragung auf die immungeschwächte Person zu vermeiden.

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Pauline Zäh Bereits als Kind wusste Pauline Zäh, dass sie einmal Redakteurin werden wollte. Lesen und Schreiben waren schon immer ihre großen Leidenschaften. Während des Journalismus-Studiums spezialisierte sie sich im Bereich Medizin. Für sie ein besonders wichtiges Feld, denn Gesundheit geht jeden etwas an. Von 2019 bis 2021 war sie Teil von kanyo®. Pauline Zäh Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
Tanja Albert Von der Schülerzeitung übers Journalismus-Studium in die Online-Redaktion von kanyo® - Tanja Albert hat das Schreibfieber gepackt. Gemischt mit ihrem Interesse für Ernährungs- und Gesundheitsthemen stürzt sie sich Tag für Tag in die medizinische Recherche - und bringt das Ganze auch in die Sozialen Netzwerke, nämlich als Social Media Managerin. Tanja Albert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
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